3 Evangelische Quellen
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Kreuz

Nachdem wir nun kurz die 4 Säulen des EPZS ausgeführt haben, die den Gesamtzusammenhang aufleuchten lassen, in dem das Leithandbuch zu stellen ist, ist es nun wichtig sich der Problematik der Inspirationsquellen zu widmen.



Wir haben bereits die grundsätzlichste Inspirationsquelle des EPZS benannt, die auch seinen Evangelisationsprozess strukturiert: die vierte Säule, Evangelii Nuntiandi. Diese globale und eindeutig "katholische" (allumfassende) Vision erlaubt es (in Klugheit und in einer zutiefst ökumenischen Perspektive und von der katholischen Pastoraltheologie geprüft nach den Kriterien der Unterscheidung) einige innovative und originelle Elemente aus evangelischen Gemeinschaften aufzunehmen und zugleich zu integrieren, die sich um neue Ansätze in der Evangelisation bemühen und und ein wirkliches kirchliches Wachstum anstreben. Man kann drei größere Einflüsse benennen:

    1. Die Gemeindewachstumsbewegung

    2. Die Zellgemeindebewegung

    3. Das innovative Konzept der Jüngerschaftsschulung unter der Perspektive von Wachstum und
        Vermehrung.



1. Quelle: Die Gemeindewachstumsbewegung

Es ist offensichtlich, dass die Gemeindewachstumsbewegung, die in den 70er Jahren in den Vereinigten Staaten entstanden ist, das EPZS stark beeinflusst hat. Dies gilt insbesondere im Bezug auf das, was man die Evangelisierung des Oikos im Evangelisationsprozess nennt.



Die Gemeindewachstumsbewegung hat Forschungsinstitute gegründet um die verschiedenen Evangelisationsmethoden zu überprüfen und die Entwicklung neuer Ansätze zur Erneuerung und zum Wachstum christlicher Gemeinden zu fördern. So hat sie sich mit Hilfe und mit den Mitteln der Soziologie darum bemüht, den Wert und die Wirksamkeit der verschiedenen Evangelisationsmethoden zu verifizieren. So hat man schnell entdeckt, dass die Methode, welche die größte Fruchtbarkeit verspricht, die Evangelisierung durch Beziehungen oder die Evangelisierung des Oikos war (der Freundschaftsfaktor). Im EPZS bevorzugt das Leiterhandbuch daher aus gutem Grund diesen Ansatz, der auch eine sehr harmonische Eingliederung in die Gesamtgemeinde ermöglicht. Es ist unabweisbar, dass dieser evangelisatorische Ansatz sehr zahlreiche Vorzüge in sich birgt, nicht nur vom Gesichtspunkt der Evangelisierungsaufgabe, sondern auch im Hinblick auf die Gemeinde, die sich durch die Kraft der zwischenmenschlichen Beziehungen erneuern will, anstatt um jeden Preis eine Struktur oder eine Bewahrungspastoral erhalten zu wollen, die nicht sehr auf die aktuelle Situation angepasst ist. Eine christliche Gemeinde zu einer Evangelisation durch die Beziehungen hinführen zu wollen, setzt eine gemeindliche Umkehr im Bezug auf die Kraft der Beziehungen und der Geschwisterlichkeit voraus.



Vom Gesichtspunkt der Didaktik her übernimmt das Leiterhandbuch bereitwillig die Erträge dieser Bewegung. Siehe einige konkreten Beispiele in dem Buch von Win und Charles Arn (Master's Plan for Making Disciples 1998, die Seitenangaben unten beziehen sich auf die französische Ausgabe). Beide sind große Förderer der Gemeindewachstumsbewegung.

    1. Die Vorzüge der Evangelisierung des Oikos (38-41)

    2. Die biblischen Grundlagen des Oikos (28-31)

    3. Die Oikosliste (66-80)

    4. Die Stufen der Empfänglichkeit und die Übergangsereignisse (77)

    5. Die Stufen des geistlichen Lebens oder die Engel-Skala (81-93)

    6. Die Notwendigkeit eines Integrationsprogrammes für Neubekehrte (43-53)

    7. Das Weitergeben des Glaubens in seinem Beziehungsumfeld (94-107)



Die Studien über den Inhalt des Kerygmas (Kerninhalt des Glaubens), die Niveaus der Empfänglichkeit der zu evangelisierenden Personen, und die heikle Stufe der Entscheidung, Jesus Christus ganz als seinen Erlöser anzunehmen, wurden umfassend aus dieser Bewegung heraus entwickelt.



Insgesamt hat die Gemeindewachstumsbewegung das, was man Umkehrprozess nennen kann, am Besten verstanden und vertieft. Der Evangelisationsprozess hat uns bereits die notwendigen und aufeinander aufbauenden Stufen gelehrt, die einen Neubekehrten in die Gemeinde integrieren helfen. Man muss allerdings auch verstehen lernen, wie in subjektiver Hinsicht diese Person einen Umwandlungsprozess durchläuft. Diese Stufen wurden in dem Buch von Nicolas Standaert, L'autre dans la mission (Editions Lessius 2003, Kapitel 2: Der Umkehrprozess, 25-41) beschrieben. Das Leiterhandbuch hat sich gerne von diesen Forschungen über den Umkehrprozess inspirieren lassen um die Fruchtbarkeit des Evangelisationsaktes und die Verantwortung des Evangelisierten für seinem Umwandlungsprozess besser verstehen zu können. Dieses Verständnis des Umkehrprozesses erlaubt demjenigen, der evangelisiert, - ergänzend und parallel zum Evangelisationsprozess - gemäß dem Oikosansatz besser die psychologische Situation der zu evangelisierenden Personen zu verstehen, ihre notwendigen inneren VerÃäderungen, die sie für eine volle Hingabe an Christus vollziehen müssen.



Zweite Quelle: Die Zellgemeindebewegung

In geschichtlicher Hinsicht handelt es sich klar um die ausgeprägteste Quelle. In der ersten Version des Leiterhandbuches zögerte das Pastoralteam von Saint Boniface in Pembrooke Pines in Florida mit seinem Pfarrer Michael Eivers nicht im Kontext des 20. Jahrhunderts die allererste Erfahrung der Zellgemeinde in Seoul unter dem presbyterianischen Pastor Paul Yonggi Cho zu erwähnen (Erfolgreiche Hauszellgruppen, Köln 1987). Eine größere und objektivere Untersuchung bietet Karen Hurston in "Growing the World Largest Church, Gospel Publishing House 1994). Dieses sprechende Zeugnis einer christlichen Gemeinde, die den höchsten Prozentsatz an Wachstum im letzten Jahrhundert aufweisen konnte (von 1500 Gläubigen 1965 auf 900000 im Jahre 1995) erlaubt uns auf eine betrÃähtliche Zahl an Forschungen über den Themenbereich der Zellen und sein immenses Potential für die kirchliche Erneuerung hinzuweisen.



Während der Einfluss der Gemeindewachstumsbewegung zu Beginn der 90er Jahre sich zu vermindern begann, hat die Zellgemeindebewegung die Nachfolge angetreten. Es ist aufgrund der internationalen Forschungen unbestreitbar, dass die Einführung der Evangelisationszellen der größte Wachstumsfaktor in der Kirche ist. Von sehr zahlreichen Forschungsarbeiten wurden die verschiedenen Modelle der Zellgemeinden, ihre Ekklesiologie, ihre Prinzipien, ihre Methode zur Einführung, die Wachstums- oder Misserfolgsfaktoren, ihre Prinzipien zur kulturellen Anpassung, ihre Methoden zur Ausbildung der Zellverantwortlichen usw. studiert. Ein Beispiel eines renommierten Forschungszentrums in den USA ist "Touch Publication" in Texas und besonders Joel Comiskey, der als größter internationaler Spezialist der Theologie der Zellen gilt. Dort gibt es ein sprudelndes Gebiet sowohl hinsichtlich der Zeugnisse von Erfahrungen als auch bezüglich der biblischen Reflexion dieses Phänomens, das für die Evangelisierung so unersetzlich geworden ist.



Die Pfarrei Sant'Eustorgio hat mit Inbrunst die Gnade und die Verantwortung zur Förderung der Zellerfahrung empfangen. Die Treue gegenüber dieser Gnade hat dort die Überzeugung wachsen lassen, das Leiterhandbuch mit einem großen Respekt gegenüber der Vision und den pastoralen Prinzipien zu übertragen, die wesentlich sind für eine solide Fruchtbarkeit und ein wirkliches Wachstum und Vermehrung durch die Erfahrung der Zellen. Diese Treue hat sich bewährt. Man muss nämlich tunlichst vermeiden, was ich als "Heimwerkerpastoral" zu bezeichnen wage, wenn es um neue Evangelisierungsansätze handelt. Es ist sehr wichtig, wachsam zu sein und pastorale Kompetenz zu entwickeln zum Wohle einer wahren und authentischen Evangelisierung. Dieser Aufruf zu einer pastoralen Kompetenz im Bereich der Evangelisierung durch die Zellen muss uns auch dahin bringen, die Gründe zu verstehen, warum das Modell, wie es von der Pfarrei Sant'Eustorgio vorgeschlagen wird, sich in manchen Milieus manchmal besser und manchmal weniger gut entwickelt. Gerade deswegen muss man wie bereits gesagt, um jeden Preis eine Mentalität der Heimwerkerpastoral vermeiden und sich für die Möglichkeit einer Anpassung bestimmter Prinzipien der Zellen im kulturellen und kirchlichen Kontext öffnen. Dies muss geschehen im Licht einer wirklichen pastoralen Reflexion und nicht unter dem Einfluss eines wilden Subjektivismus des verantwortlichen Pfarrers oder der Gemeinde, die keine Unterscheidungskriterien im Bereich der Zell- oder Evangelisationserfahrung hat. Darüber hinaus ist es wichtig das Leiterhandbuch in einen größeren Kontext zu stellen. Es handelt sich vor allem um ein didaktisches Lehrbuch. Man muss lernen zu unterscheiden, was zur Ebene der Vision und der Prinzipien gehört und was sich auf der Ebene der pastoralen Anpassung im Bezug auf den Kontext befindet. Wir müssen also die Prinzipien der Anpassung entschlüsseln, welche einerseits die wesentlichen Fundamente nicht aus den Augen verlieren, andererseits aber auch die pastoralen Prinzipien der Evangelisierung in Betracht ziehen.



Dritte Quelle: Das innovative Konzept der Jüngerschaftsschulung unter der Perspektive von Wachstum
                        und Vermehrung

Man kann hier nicht von einer ausdrücklichen Quelle sprechen, sondern mehr von einer anfanghaften, die noch am Keimen ist und eine völlig innovative Wirklichkeit hervorbringt, aber gut verwurzelt im biblischen Ackerboden. Wir können bereits den neuen Einfluss durch die Idee der Evangelisierung des Oikos und durch das Leben der Zelle auf die Erfahrung des EPZS ermessen. In der katholischen Pastoraltheologie sind diese beiden Elemente wenig vertieft und entfaltet. Sie eröffnen uns dennoch ein erstaunliches Potential der Erneuerung für unsere Pfarrgemeinden. Diese zwei Elemente stellen eine Herausforderung für die christlichen Milieus dar, die von einem herkömmlichen pastoralen Stil geprägt sind. Die vorgeschlagene Veränderung erfordert - wir sollen furchtlos diesen Ausdruck verwenden - eine pastorale Umkehr. Aber im Bereich der Jüngerschaftsschulung führt uns die Evangelisationserfahrung im EPZS zu noch viel tiefer gehenden Veränderungen.



Dieses biblische und evangelische Innovation kann sich auf wunderbare Weise im Kontext der Zellgemeinden entwickeln. Wir verorten die Jüngerschaftsschulung gewöhnlich in den Zusammenhang einer (1) Predigt- oder (2) Programmvorlage (katechetisch, akademisch o.ä.). Aber die Evangelisierung durch die Beziehungen im Oikos und die Zellerfahrung unterstreichen zwei andere sich ergänzende Modelle. Zusätzlich zu den vorgenannten, durch die der Christ seine Reife erreichen und selbst ein erfüllter Jünger werden kann, der gemäß dem missionarischen Auftrag bei Mt 28,19 (macht zu Jüngern...) fähig ist, andere Jünger auszubilden. Wir sprechen also (3) von einem Modell, das die Ausbildung als einen Prozess versteht (man muss eine Gesamtsicht der Jüngerschaftsschulung über die einzelnen Stufen hinweg haben, die sich eingliedert in einen umfassenden Prozess). Und wir sprechen (4) von einem Modell der freundschaftlichen Begleitung des Jüngers (man muss im Kontext der Pfarrgemeinde und der Zellen sich um eine persönliche Einzelbegleitung in der Form einer Patenschaft bemühen, wie es Jesus selbst mit seinen Jüngern gemacht hat).



Man kann also unterstreichen dass im Leiterhandbuch diese neuen Schulungskonzepte eher anfanghaft im Status des Aufbruches zugegen sind aber zugleich ein außerordentliches Potential in sich bergen. Erst die Zukunft wir es uns ermöglichen zu zeigen, dass die Ausbildung der Zellleiter im Zellsystem, wenn sie wirksam sein will, sich auf eine viel weitere und umfassende Perspektive einer Jüngerschaftsschulung ausrichten muss. Im Moment aber können wir bereits die diesbezüglichen internationalen Forschungsergebnisse unterstreichen: die Zellkonzepte, die sich auf diese Ziele und die damit zusammenhängende Didaktik konzentrieren mit den zwei letztgenannten Schulungskonzepten weisen ein gigantisches und exponentielles Wachstum auf, das noch stärker ist als jenes der Gemeinde von Paul Yonggi Cho in Seoul. Das Leiterhandbuch in seiner jetzigen Form konnte diese Erfahrungen aus zwei Gründen noch nicht berücksichtigen: 1. Die Reflexionsarbeit über diese Fragen befindet sich erst am Anfang, auch wenn sie eine besondere Aufmerksamkeit verdient und 2. diese Arbeit erfordert in der jetzigen Erfahrung der Zellen einen gewissen Abstand um neue und umfangreiche Elemente aufnehmen zu können.