3 Herausforderungen
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Berg



Wir verwenden absichtlich das Wort "Herausforderung", da die prophetische Vision des EPZS von Seiten des Pfarrers und der engagierten Laien in diesem evangelisatorischen Ansatz den Mut erfordert, einen "neuen Stil des pastoralen Lebens" (PDV 18) zu entwickeln. Eine Pfarrgemeinde auf den Weg der pastoralen Veränderung für die Neu-Evangelisierung zu führen erfordert Scharfsinnigkeit und Kühnheit, damit sich diese gemeindliche Verwandlung ernsthaft und fortschreitend entfaltet. Solch eine pastorale Herausforderung auf sich zu nehmen erfordert eine klare Vision und eine feste Entschlossenheit, um das Ziel zu erreichen, das der Herr von uns will, nämlich eine Erneuerung der Gemeinden in der Dynamik des Wachstums.



Erste Herausforderung: Die Evangelisierung durch die Beziehungen im Oikos

Zu evangelisieren im schon bestehenden Beziehungsgeflecht scheint von außen gesehen einfach und angenehm zu sein. Aber tatsächlich bedeutet dies für die Gläubigen Laien, die in einem christlichen Umfeld und einer individualistischen Gesellschaft leben, eine riesengroße Herausforderung.



Bislang hat die Pastoraltheologie das Handeln der Kirche vorrangig im gemeinschaftlichen und sakramentalen Leben verortet und nicht wirklich ein klares und tiefes Bewusstsein der wesentlichen und fundamentalen Rolle des zwischenmenschlichen und beziehungsorientierten Charakters des Glaubenszeugnisses bei der ersten Evangelisierung entwickelt. In den Evangelien jedoch wird uns Jesus Christus als jemand vorgestellt, der sich mit jedermann mit höchster Beziehungsqualität unterhalten konnte. Die Lektüre der neutestamentlichen Texte lässt uns verstehen, dass der Faktor "zwischenmenschliche Beziehung" bei der Evangelisierung niemals vernachlässigt werden darf. Daran erinnert auch Evangelii Nuntiandi: "Darum bleibt neben dieser Verkündigung des Evangeliums in umfassendster Weise die andere Form seiner Vermittlung, nämlich von Person zu Person, weiterhin gültig und bedeutsam. Der Herr hat sich ihrer oft bedient - seine Gespräche mit Nikodemus, Zachäus, der Samariterin, Simon dem Pharisäer und anderen bezeugen es. Dasselbe sehen wir bei den Aposteln. Wird es im Grund je eine andere Form der Mitteilung des Evangeliums geben als die, in der man einem anderen seine eigene Glaubenserfahrung mitteilt?" (EN 46)



Der Evangelisationsprozess im EPZS stellt in Treue zur Vorgehensweise Christi und seiner Jünger diese evangelisatorische Strategie klar heraus und unterstreicht die Notwendigkeit einer kirchlichen Umkehr zu einem immer intensiveren Leben im Geist der Geschwisterlichkeit. Man muss daher diese Beziehungsdimension gleich bei der ersten Stufe des Evangelisationsprozesses wecken. Der zwischenmenschliche Charakter muss dann während des gesamten Prozesses bewahrt bleiben bis hinein in das Herz der Zelle, damit sich die ganze Pfarrgemeinde dazu bekehrt, eine geschwisterliche und freundschaftliche Ausstrahlung zu leben: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt" (Joh 13,35). Man darf die kirchliche Struktur nicht als etwas sehen, das sich nur selbst genügen muss, sondern vielmehr als etwas, was einer wirklichen und tiefen Gemeinschaftsspiritualität dienen soll. Die von christlichem Geist geprägten kirchlichen Strukturen sind leider auf eine bestimmte Weise selbstgenügsam und unfähig geworden, einen wirklichen Geist der Geschwisterlichkeit zu fördern. Sie können sich sehr gewinnbringend von der Pädagogik des Oikos inspirieren lassen um diese beziehungsorientierte Vitalität in allen Dimensionen des kirchlichen Lebens zu entwickeln. Dieser geschwisterliche und zwischenmenschliche Charakter, von dem das EPZS ganz durchdrungen ist, ermöglicht den Pfarreien, in Fälle diesem gemeinschaftlichen Leben zu dienen.



Zweite Herausforderung: die kirchliche, gemeindliche Anerkennung der Zelle

Die Erfahrung der Zelle oder jeder christlichen Gruppe ist aus theoretischer und theologischer Sicht unbestritten. Wer könnte es wagen, dieser Aussage zu widersprechen? Niemand wird den Wert kleiner Gruppen bestreiten, die sich im Namen ihres christlichen Glaubens versammeln. Aus pastoral- praktischer Sicht jedoch und im Bewusstsein einer sehr großen Zahl von Hirten wird diese Erfahrung betrachtet als hätte sie keine kirchliche und keine sakramentale Bedeutung. Man spürt nicht den Bedarf und die Notwendigkeit, die kleinen Gruppen in das Leben und das Wachstum der Gemeinde zu integrieren. Wir sagen es noch einmal: theoretisch werden sie zweifellos nicht in Frage gestellt, aber in der Praxis haben die Hirten kein größeres Interesse, Zeit und Energie in eine Kleingruppenpastoral zu investieren, um diese in die Großgemeinde zu integrieren. Man bemüht sich vielmehr um große Versammlungen, um große Projekte, Massenereignisse und meint, das gemeindliche Wachstum käme dann früher oder später. Tatsache aber ist: alle internationalen Untersuchungen über Gemeindewachstum haben deutlich gezeigt, dass die Existenz der kleinsten Versammlungen, der Kleingruppen oder Zellen, die in das Leben der Gesamtgemeinde integriert sind, ein entscheidender und sehr fruchtbarer Faktor für die (qualitative und quantitative) Entwicklung einer Gemeinde sind.



Christus Jesus hat ja selbst im Matthäusevangelium bestätigt: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20). Diese eine Bestätigung Jesu, gesprochen im Kontext, in dem er die Regeln für das Gemeinschaftsleben definiert, sollte eigentlich genügen, um den gemeindlichen Wert und den sakramentalen Status der Kleingruppen zu rechtfertigen. Die Zellerfahrung besteht ja gerade darin, sich im Namen Jesu zu versammeln um nach seinem Beispiel die lebendige Dynamik der Evangelisation zu leben, die man als durch und durch kirchlich betrachten muss, sowohl von der theologischen und theoretischen Ebene her als auch auf der Ebene der authentischen pastoralen Erfahrung. So nämlich war es auch bei den ersten Christen. In der Apostelgeschichte zeigt Lukas unaufhörlich wie das Haus ein Ort der Gemeinde/der Kirche ist (vgl. Apg 2,2; 10,2.6.17.22.30.32; 11,11-14; 12,12; 16,14-15; 16,29-34; 17,5-7; 18,7-8; 21,7-8; es sei darauf hingewiesen, dass in den verschiedenen französischen (und ebenso den deutschen) Bibeln das Wort Oikos nicht immer mit "Haus" übersetzt ist.) Er betont auch die gleichwertige ekklesiologische Notwendigkeit von Versammlung und Haus (vgl. Apg 2,46; 5,42; 20,20) um seinen Glauben zu leben und zum Ausdruck zu bringen. Bei Paulus findet sich in vier Brief-Grußformeln die Verwendung eines sehr typischen Ausdrucks, mit dem angezeigt wird, dass die Kleingruppen von Christen ein authentischer kirchlicher Ort sind: "grüßt auch die Kirche (die sich versammelt) in ihrem Haus" (Röm 16,5; vgl. 1 Kor 16,19; Kol 4,15; Phlm 2). Das EPZS erneuert lediglich diese Realität der ganz der Evangelisation verpflichteten neutestamentlichen Kirche in einem neuen Kontext und auf eine lebendige Weise.



Dritte Herausforderung: Die Leiterausbildung unter der Perspektive der Vermehrung.

Diese dritte Herausforderung steht in direktem Zusammenhang mit den beiden vorausgegangenen Herausforderungen. Die Leiterausbildung integriert zum einen die Herausforderung des Beziehungsgeflechtes und jene der neutestamentlichen Sicht der evangelisierenden Kleingruppe. Der Zellleiter ist ein Zeuge der Wichtigkeit des zwischenmenschlichen Charakters der Oikosevangelisation und des geschwisterlichen und kirchlichen Lebens der Zelle. Er ist das Herz der Zelle. Er verkörpert mit sein Person die Vision. Einer wachsenden Zelle, die dazu da ist, sich zu teilen. Um das biologische Vorbild der Zelle zu Hilfe zu nehmen: Er ist die DNA, ohne die es der Zelle unmöglich ist, sich zu ernähren und zu entwickeln. Dies ist auch der Grund, warum wir mehr und mehr davon sprechen, dass sich nicht so sehr die Zelle vervielfältigt, sondern vielmehr ihr Leiter. So integriert die Leiterausbildung nicht nur die zwei vorausgegangenen Herausforderungen, sie zeigt so auch, dass es sich hier um die größte und anspruchsvollste Herausforderung handelt. Die Fruchtbarkeit des EPZS hängt insbesondere an der Fähigkeit, Leiter auszubilden, die ihrerseits fähig sind, andere zu auszubilden. Die Aussage des Apostels Paulus in 2 Tim 2,2 wurde für das EPZS zu einer wesentlichen Leitlinie, um diese Vision der Vermehrung umsetzen zu können. Der Apostel schreibt an seinen geistlichen Sohn Timotheus: "Was du vor vielen Zeugen von mir gehört hast, das vertrau zuverlässigen Menschen an, die fähig sind, auch andere zu lehren." (2 Tim 2,2) Der missionarische Auftrag des auferstandenen Jesus in Mt 28,20 ("macht zu Jüngern...") kann nicht anders verstanden werden als unter dieser Perspektive der Vermehrung: ein gut ausgebildeter Jünger muss früher oder später dieses Wort Jesu hören und verstehen, das ihn einlädt, selber Jünger auszubilden. Der Echtheitstest der Evangelisierung, der Erfahrung der Zellen und der Verantwortung der Zellleiter geschieht durch die folgenden zwei Fragen: "Wie viele Jünger hast du bis jetzt ausgebildet?" "Wie viele habe ich zu Jüngern ausgebildet, die fähig sind, andere auszubilden?" diese zwei Fragen müssen allen Getauften und Hirten in der Kirche gestellt werden.



Diese multiplikatorische Sichtweise der Ausbildung ist im Leiterhandbuch gut verankert, aber nur wenig entwickelt in Hinsicht auf die didaktischen Werkzeuge und Ausbildungsmethoden, bei der Begleitung und Hilfe für die Leiter. Die Hirten müssen sich also dieser ganz neuen Aufgabe, dieser neuen und immensen Baustelle der Leiterausbildung widmen. Man muss nicht zu sehr auf dem Charakter dieser Vision der Vermehrung der Leiter insistieren. Diese neue Wirklichkeit drängt uns aber didaktische Instrumente zu entwickeln, die sich in diesen neuen Stil des pastoralen Lebens einfügen, wie es vom EPZS empfohlen wird. Die Ausbildung darf nicht nur in akademischer Perspektive verstanden werden oder in Hinblick darauf, neue Fähigkeiten sich anzueignen. Das Leiterhandbuch berücksichtigt dies sehr genau. Aber wir bestehen darauf zu betonen, dass die Ausbildung sich auch mit der Dynamik der Beziehungen und der persönlichen Begleitung beschäftigen muss. Auf den Beziehungscharakter in der Leiterausbildung zu verzichten oder ihn als ein zweitrangiges Element zu betrachten würde der Vision des EPZS selbst widersprechen. Ein Leiter ist fruchtbar und beispielgebend für seine Zelle in dem Maße, in dem er sich selber von einer anderen Person unterstützen lässt, die ihn im konkreten Kontext seiner geschwisterlichen und kirchlichen Erfahrung des Zelllebens begleitet.